Häufig geht es bei uns um den „Anwender“ als Fehlerquelle. Also um denjenigen, der gerne trainieren und seinen Lifestyle gesünder gestalten will, aber in Ermangelung der Ressourcen (wie qualifizierte Trainer) auf sich alleine gestellt ist und das beste draus machen will/muss. Heute geht es um eine andere „Fehlerquelle“, die leider in der Branche viel zu oft einfach totgeschwiegen wird:
Die hinterhältigen Lügen schlechter Trainer
Die unfassbar dreisten Lügen, die schlechte Trainer erzählen und Menschen ungefragt in den Briefkasten reinflyern. Dazu gibt es weiter unten auch ein echtes Beispiel. Aus meinem Briefkasten. Wobei der Briefkasten im Prinzip auch ein Youtube Kanal, ein Artikel in der Men’s Health oder auch ein Blog wie dieser sein kann. Es geht um das Prinzip.
Das Prinzip besteht aus zwei Aspekten.
1. Menschen weismachen, es gäbe eine „one size fits all“ Lösung. Als bräuchte man keine wirkliche individuelle Betreuung, um körperlich die besten Fortschritte zu machen.
2. An die Bequemlichkeit der Menschen appellieren und sie glauben lassen, sie könnten maximale Ergebnisse mit minimalem Einsatz einfahren. Denn für diesen „Komfortvorteil“ bezahlen Menschen gerne bares Geld.
Verpackt wird dieses Prinzip dann getreu dem Motto „Mehr Schein als Sein“. Die Ressourcen fließen hier in: Professionell aussehende Fotos (Make-Up und Frisur der schweißfreien Klientin im Vordergrund sitzen, der Trainer beobachtet bedeutungsschwer die maschinengeführten Bizepscurls, komplexe Übung und so…). Ein schickes und zeitgemäßes „Corporate Design“… schlicht ins Marketing!
Wir leben in einem System, in dem Marketing „nunmal dazu gehört“. Dieses Problem steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Das besonders gemeine ist, dass manche Menschen entdeckt haben (und anscheinend gewissenlos genug dafür sind), dass ein gutes Marketing die schlechte Qualität einer Ware oder Dienstleistung leicht überdecken kann. Gut genug um auch von einer schlechten Dienstleistung leben zu können.
Menschen ein X für ein U vormachen
Solche skrupellosen „Experten“ verstehen es, ihren Wissensvorsprung (im Vergleich zum ahnungslosen Max Mustermann) auszunutzen und geschickt Signalwörter einzusetzen, wie etwa „Personal Training“ – was einerseits einen hohen Qualitätsstandard suggeriert, andererseits automatisch mit gewissen, berechtigten, Kosten verbunden wird. So schaffen diese Trainer Geschäftemacher es leider viel zu oft, gutgläubige Menschen, die mit besten Absichten in ihre Gesundheit investieren wollen, übers Ohr zu hauen.
Reality Check
Schauen wir uns das doch einfach mal am Beispiel an:
Hmmm. Okay. Klingt doch fair, oder?
€ 39,90 für eine Trainingseinheit „Personal Training“. Allerdings dauert diese nur 20min und findet nur an Maschinen statt?
1. Wenn sich jemand „Personal Trainer“ nennt, und es in irgendeiner Form erwähnenswert findet, dass du keine Aufnahmegebühr oder Mitgliedsbeiträge zahlst – LAUF! Und zwar so schnell du kannst.
Als Personal Trainer bezahlst du mir grundsätzlich meine Zeit und nicht irgendwelche Fantasiegebühren. Kein Personal Trainer, den ich kenne, handhabt das irgendwie anders.
2. Personal Training an Maschinen ist wie das Kamasutra zu besitzen und niemals mehr als den Klappentext zu lesen. Ist wie Musik aus Laptop Lautsprechern. Ist wie einen Porsche immer nur im ersten Gang zu fahren. Von ganz ganz wenigen Ausnahmen abgesehen: GRUNDÜBUNGEN sind wo die Magie stattfindet – egal wie deine Ziele aussehen!
3. € 39,90 für 20 Minuten Training = Stundentarif von € 120,-. Als jemand, der die Preise einiger (sehr guter) Trainer kennt, kann ich mich des Eindrucks kaum erwehren, dass jemand einen dreisten Weg gefunden hat, mehr Geld zu verlangen als er eigentlich wert ist. Wenn jemand einen dreistelligen Betrag verlangt für eine Stunde Training, sollte er schon was vorzuweisen haben – solche Leute gibt es. Aber sie werfen dir keine Flyer in den Briefkasten.
Aber es wird noch besser – hier kommen die Testimonials:
Ich habe Schwierigkeiten, in Worte zu fassen, für wie dumm ich diese unqualifizierte Aussage halte. Ich schlage dem Blondchen (no offense an die (blonde) weibliche Leserschaft!) vor, dass wir Dmitry Klokov für eine Stunde zu McFit schicken – und uns dann unterhalten, wer effektiver trainiert hat.
Wie wir nun rausfinden (s. nächstes Bild), handelt es sich bei dem Konzept um HIT (High Intensity Training). HIT kann ich auch in einem Fitnessstudio machen. Handelt es sich um ein Fitnessstudio mit freien Gewichten, kann ich dort sogar besser HIT betreiben, als in einem Studio das einzig auf „medizinische“ Maschinen zurückgreift.
1. Ist es immer wieder spannend (und traurig) zu sehen, wofür Ärzte bereit sind, sich zu prostituieren, ODER sich dazu hinreißen lassen, über Dinge zu reden, von denen sie keine Ahnung haben, weil sie völlig größenwahnsinnig sind. Der renommierte Biomechaniker Stuart McGill, weltweit einer der angesehensten Experten für Leiden des unteren Rückens, würde dem entschieden widersprechen – soviel ist nach Lektüre zwei seiner Bücher sicher!
2. Gleichzeitig kommt hier ein effizientes Marketinginstrument zum Einsatz: Indem auf dem Flyer die Meinungen von Fachleuten wie einem Arzt oder einem (an anderer Stelle) Physiotherapeuten abgedruckt werden, soll der Eindruck erweckt werden, die angebotenen Trainingsmethoden wären medizinisch/wissenschaftlich abgesichert hinsichtlich ihrer Wirkungsweise.
Was GENAU ist eigentlich dieses HIT? Ach, guck, der Flyer verrät es. Wie praktisch!
Die New Yorker Business Elite also. So so. Na DANN muss das ja echt der heiße Scheiß sein, oder?
Beim High Intensity Training (kurz HIT, deutsch hochintensives Training oder Hochintensitäts-Training) handelt es sich um ein Trainingskonzept im Bodybuilding und Kraftsport, das sich durch kurze und sehr harte Trainingseinheiten auszeichnet, denen eine mehrtägige bis -wöchige Regenerationszeit folgt. Maßgebend für die Verbreitung des HIT waren der Unternehmer und Sportgerätehersteller Arthur Jones […] – Quelle: wikipedia.de
Der Verweis auf Arthur Jones ist wichtig, da er das HIT mit seinen NAUTILUS Maschinen schon in den 1970er (!) Jahren verbreitete, wie Dan John gerne erzählt.
Trainingsgeheimnis der „Business Elite“ aus NYC? Ooooder… werden hier etwa nur billige Schlagworte und wichtig klingende Abkürzungen benutzt, um den Großstadt Yuppie glauben zu lassen, dass er dieses Training braucht, damit er sich dann auch bald die ersehnte Wohnung auf der Upper Eastside leisten kann?
In 100 Minuten eine „sichtliche Verbesserung“ der Figur? Im Ernst?
Mehr essen darf ich auch noch? Das klingt ja fast zu gut, um wahr zu sein. ZU gut, um WAHR ZU SEIN…
„Sie brauchen nur 20 Minuten pro Woche, um das zu bekommen, was Sie sich schon immer gewünscht haben“
Kennst du irgendwelche anderen Lebensbereiche, in denen diese Regel funktioniert? Nein? Fitness und Gesundheit scheinen dann die Ausnahme zu sein. Hab das Memo wohl nicht bekommen.
Gabs da nichtmal diese Werbung mit Oli Pocher?
In diesem Sinne: „La-la-la-lasst euch nicht verarschen…“ und bleibt gesund!
Title photo courtesy of Ian Burt (Creative Commons License)