Krafttraining ist super. Für alles. Punkt. Wenn CrossFit auch nur eine tolle Sache erreicht hat, egal ob man CrossFit nun gut findet oder nicht, ist es, dass mehr Frauen sich ans Eisen trauen. Dass mehr Frauen sich trauen, etwas neues zu probieren, das Potenzial ihres Körpers auszuloten und regelmäßig ihre eigenen Grenzen zu verschieben. CrossFit bzw. Kraftsport allgemein sind sicher nicht für jedermann oder jede Frau. Muss ja auch gar nicht. Aber es ist schade, wenn Menschen etwas nur wegen alter fixer Ideen ablehnen, zB. wegen ihres Geschlechts und damit verbundener Erwartungen. Danke CrossFit!
Gleichzeitig besteht immer die Gefahr einer Gehirnwäsche, die die alte ersetzt – oft bedingt durch jede Menge Marketing. In den 80ern und 90ern dachte jeder Typ, er würde zum nächsten Schwarzenegger, wenn er brav Papa Weider’s Eiweißshakes in sich reinkippt und den Trainingsplan aus der FLEX nachmacht. Heute glauben viele Mädels, ein paar Monate Training, ein Shirt mit einem süßen CrossFit Slogan und die passenden bunten NewBalance Schühchen machen aus ihr eine bärenstarke Athletin. Die auch so aussieht.
In diesem übersetzten Gastbeitrag von Alexander Juan Antonio Cortes für EliteFTS geht es nicht nur um Frauen. Es geht vor allem nicht gegen Frauen. Es geht nicht um Entmutigung. Es geht mehr darum, enttäuschte (weil falsche) Erwartungen zu vermeiden. Und es geht allgemein um den Stellenwert, den das Body Image als Trainingsmotivation haben sollte.
Du bist ein Fit Chick, wärst gerne eins, kennst eins, datest eins, fragst dich, was zur Hölle ein „Fit Chick“ ist – ODER du weißt einfach nicht, was du besseres mit deinen nächsten sieben Minuten anfangen sollst? Dann lies doch einfach weiter 😉
Artikel im Original von Alexander Juan Antonio Cortes
„Über die letzten paar Jahre wurde das „fit chick“ Image zu einem kulturellen Phänomen. Während es sicherlich viele positive Aspekte gibt, sind auch negative Begleiterscheinungen nicht zu leugnen – allen voran die fälschliche Annahme, dass jede „aussehen kann“ wie ein Fitness Model oder eine erfolgreiche Athletin, einfach indem man ein paar Monate mit einem schlecht kopierten Trainingsplan ins Gym geht und sich dabei an eine „Diät“ hält. Im Ernst? Das ist nicht ansatzweise wahr. Wie hält sich dieser Mythos?
Müsste ich eine kurze Geschichte nachzeichnen, würde ich dieses Phänomen auf zwei Dinge zurückführen: Bikini Wettbewerbe und CrossFit. […] CrossFit hat das Bild der vergleichsweise muskulösen und sehr athletischen Frau stark popularisiert. In der Folge streben mehr und mehr Frauen überall nun nach diesem „Look“. Was braucht man Frau wirklich dafür?

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Extreme statt Ausgewogenheit
Um wie ein Fitness Model oder eine CrossFit Athletin auszusehen, wird ein „ausgewogener“ Ansatz niemals funktionieren. Das Marketing, das überall „12 Wochen Transformationen“ anbietet, oder der Irrglaube, dass das Kopieren des Trainingsplans einer erfolgreichen Athletin zum Erfolg führt? Alles Bullshit! […] All dies wird vorzugsweise an Frauen verkauft, die NULL Erfahrung mit ernsthaftem Training oder Sporternährung haben.
Gleichzeitig herrscht die Erwartung vor, dass eine Verwandlung in eine athletische Maschine allein dadurch stattfindet, dass man regelmäßig zu einer CrossFit „box“ marschiert und dort ein paar Monate das „WOD“ absolviert. Um es ganz direkt zu sagen: Die Vermarktung des Glaubens, dass „jeder es schaffen kann“ ist eine ganz freche Lüge. Vielleicht haben alle Menschen das Potenzial – aber die großen Mühen und die notwendige Zeit werden die Erwartungen ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Die Realität
Bevor ich irgendwas über das Training sage, möchte ich einen ganz entscheidenden Punkt zum Thema weibliche Körperzusammensetzung machen. Es ist eine biologische Tatsache, dass der durchschnittliche Körperfettanteil einer Frau doppelt so hoch ist wie bei Männern. Zehn bis 15 Prozent Körperfett bei einem Mann sind das Äquivalent zu 20-30% bei einer Frau. Also sind 20% bei einer Frau vergleichbar mit zehn Prozent bei einem Mann. Bei Männern gelten zehn Prozent als relativ definiert und athletisch. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau ganz „natürlicherweise“ mit einem Körperfettanteil unter 20% und sichtbaren Bauchmuskeln herumläuft sind… nun, wir reden über genetische Ausnahmen. […] Der Punkt ist, dass ein sehr magerer Körperfettanteil und sichtbare Bauchmuskulatur keine „natürliche“ Körperzusammensetzung bedeuten, weder bei Männern noch bei Frauen.
Was braucht man, um dahin zu kommen? Die Erfordernisse sind eigentlich so ziemlich dieselben für Frauen und Männer:
- Krafttraining zwischen vier und sieben Einheiten je Woche, mit dem Fokus auf schwere Grundübungen und Hypertrophie (also trainieren wie ein ernsthafter Kraftsportler)
- Regelmäßige Cardioeinheiten, und erfahrungsgemäß brauchen Frauen MEHR Cardio Training als Männer […]
- Strenge Ernährung inkl. Kontrolle der aufgenommenen Kalorien und orientiert an der Leistungsfähigkeit im Training (also eine fast immer sehr „cleane“ Ernährung)
- Schlaf, Erholung und Stressmanagement, um mit dem fast täglichen Training klarzukommen (für die meisten Menschen ist dieser „Look“ ein Vollzeit Job bzw. Hobby)
- Regelmäßiges & beständiges Training über Jahre, nicht Monate (normalerweise Jahre am Stück)
Frauen können Muskeln genau so gut aufbauen wie Männer, aber die Ausgangsposition ist meist schwieriger. Frauen haben meist aufzuholen, und überhaupt erstmal gleichzuziehen erfordert Zeit.
Wir haben also jede Menge Training, jede Menge Erholungszeit und jede Menge gesunde Ernährung – und das alles braucht jede Menge Zeit. Bitte lies das noch ein paar mal, so dass die Botschaft ankommt: Es braucht Zeit, um so auszusehen! Dieser Körper, dieser „Look“ ist ein Langzeit-Projekt. Es ist keine „Verwandlung“. Es ist kein einzelnes „Trainingsprogramm“. Es ist keine einmalige „Diät“, die du sechs Wochen durchhältst und dann – voilà – Bauchmuskeln und straffer Hintern für immer.
Der falsche Gott des Aussehens
Das ist der Punkt, der mich persönlich mehr erschüttert als jeder andere: Die falsche Verehrung des „Looks“, des Aussehens – und nichts weiter. Fitness ist für viele rein kosmetisch. Menschen wollen heiß aussehen. Sie wollen nackt gut aussehen – und jeder der körperliches Aussehen und Selbstbewusstsein voneinander trennen will, macht sich was vor. Ich wäre ein Lügner, wenn ich behaupten würde, dass einen attraktiven Körper zu haben kein Ego-Boost ist. Nichtsdestotrotz ist Training alleinig um einen „Look“ zu erzielen wie dem Wind hinterher zu jagen. Der Körper ist nicht dauerhaft in seiner äußerlichen Erscheinungsform. Er wird sich über die Zeit deines Lebens verändern, wird auf- und abgebaut.
Du kannst das athletischste „Fit Chick“ im Raum sein – aber es wird immer jemand besser aussehen als du. Wenn dein Selbstwert alleinig aus deinem körperlichen Erscheinungsbild resultiert, wirst du als erbärmlich schwacher Mensch enden. Egal wie stark du nach außen wirkst. Das gilt natürlich im gleichen Maße für die Männer. Dein Training kann sicher mit dem Antrieb beginnen, „heiß auszusehen“. Aber wenn das alles ist, worum es jemals für dich geht, versichere ich dir, dass diese Brücke nirgendwohin führt.
[Tweet „Training muss mehr bedeuten als dein Spiegelbild.“]
Viele Individuen im Bodybuilding Bereich haben ihr Leben auf ihrem Aussehen aufgebaut und dabei alle anderen Aspekte der persönlichen Weiterentwicklung ignoriert. Wenn ihre Karrieren enden, sind sie sterbende Körper und leere Gefäße, die in ihrem Inneren nie etwas haben wachsen lassen. Ihre Leben sind deprimierend.

Einsatz und Erwartungen
Der „Look“, den so viele Menschen so sehr wollen, ist das Ergebnis davon, wie ein Athlet zu trainieren, bzw. in einigen Fällen, tatsächlich ein Athlet zu sein (selbst, wenn es nur ein leidenschaftliches Hobby ist). Für die Frauen, die den „Look“ haben (selbst, wenn das die primäre Trainingsmotivation ist) bedeutet das ein stets leistungsorientiertes Training. Sie geben Vollgas im Gym für permanente Leistungssteigerung. Oder, anders ausgedrückt: Sie trainieren sehr, sehr hart. Sie vergeuden ihre Zeit nicht mit flauschig weichen Workouts für die „Muskelstraffung“. Sie treten sich genau so hart in den Hintern wie männliche Athleten. Vielleicht sogar mehr.
Die Körper dieser Frauen sind das Ergebnis dessen, wie hart sie trainiert haben, wie hart sie trainieren und wie hart sie weiterhin trainieren werden. Ihre Körper sind kein fixer Zustand, den sie nach ein paar Monaten erreicht haben und dann waren sie fertig.
Aber ich kenn Yogagirl123 von Instagram und die hat immer Bauchmuskeln und trainiert nicht so viel!
Warum sieht die so aus, und du tust es nicht? Vermutlich hat sie besseres Genmaterial, ist schon ihr ganzes Leben sportlich aktiv und hat gesunde Gewohnheiten auf ihrer Seite. Wenn sie in ihren 20ern ist, hat sie außerdem einen deutlich schnelleren Stoffwechsel als ältere Menschen.
(Oder Yogagirl123 wiegt 40kg, hat weder Fett NOCH Muskeln, und dank einer klug gewählten Kombination aus Licht und Instagram Filter sieht es aus als wäre sie athletisch. [Alternative Erklärung des Übersetzers])
Ich sage all dies nicht, um irgendjemanden zu entmutigen. Aber so ist nunmal die Realität. Das erforderliche Training und der erforderliche Lifestyle für einen athletischen Körper sind weder besonders praktisch noch „einfach“. Für viele Menschen erscheinen die Methoden sicher extrem. Aber ich möchte betonen, dass Ausgewogenheit und Extrem vor allem von der Wahrnehmung abhängen. Wahrnehmung, die wiederum das Resultat ist von der Zeit, die man investiert, um Disziplin und Arbeitsmoral aufzubauen und aufzunehmen.
Erwartungen und die Realität
Die Realität ist die Geißel von Idealismus und Erwartungen. Schlussendlich ist es unrealistisch, ein extremes Resultat durch eine mittelmäßige Anstrengung zu erwarten. Wie ein Fitness Model oder eine CrossFit Athletin auszusehen erfordert Arbeit, Disziplin und Zeit. Ob es für dich noch mehr bedeutet, als nur heiß auszusehen, musst du währenddessen für dich selber entscheiden. Wähle mit Bedacht. “
Artikel im Original von Alexander Juan Antonio Cortes
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